8. August 2017

Wann und warum der Name „Maikäfersiedlung“ eigentlich entstanden ist, weiß heute offenbar niemand mehr so genau. Gab es in der Gegend damals viele dieser Käfer, kam man sich in den kleinen Wohnungen wie ein Krabbeltier in der Schachtel vor oder waren die Familien so groß wie bei den Maikäfern?

Auf den ersten Architektur-Skizzen zu der Wohnanlage steht denn auch einfach nur „Siedlung südlich Berg am Laim“. Später hieß es dann „Siedlung Echarding“. Namen, die längst in Vergessenheit geraten sind. Wer heute über die Wohnbauten an der Echardinger- und Bad-Kreuther-Straße redet, nennt sie nur: Die „Maikäfersiedlung“.

Zwischen 1936 und 1939 ist die Siedlung dort entstanden. Der damalige städtische Siedlungsreferent Guido Harbers engagierte sich stark für den Bau von kostengünstigen, einfachen „Volkswohnungen“, um die Wohnungsnot in München zu lindern. Als studierter Architekt legt er 1934 selbst Pläne für eine Siedlung am Echardinger Grünstreifen vor. Zur Umsetzung ruft Harber die „Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsstättengesellschaft“ (GWG) wieder ins Leben und erteilt ihr den Bauauftrag.

Der Stil ist bodenständig-konservativ. Die Zeilenbauten folgen dem Straßenverlauf, entlang der Hauptverkehrsrouten ist die Siedlung geschlossen. Nur auf der Seite zum Michaelianger öffnet sie sich. Das Zentrum bilden die Gaststätte „Echardinger Einkehr“ und verschiedene Läden zum täglichen Bedarf. Drumherum entstehen über 600 Mietwohnungen.

Es ziehen BMW-Werksarbeiter und Angehörige der NSDAP ein. Dazu einige soziale Randgruppen wie obdachlose oder kinderreiche Familien. Ein Paar hat tatsächlich 17 (!) Kinder. Außerdem kommen kriegsgeschädigte Ex-Bewohner der deutschen Ostgebiete in Berg am Laim unter.

Die Maikäfersiedlung im Jahr 2006 vor ihrem Abriss - die Bausubstanz war in die Jahre gekommen. Foto: Unser Berg am Laim
Die Maikäfersiedlung im Jahr 2006 vor ihrem Abriss – die Bausubstanz war in die Jahre gekommen. Foto: Unser Berg am Laim

 

Statt teurerer Ziegel wird der neuartige Kunststein „Iporit“ aus aufgeschäumtem, dampfgehärtetem Sand verwendet. Der Werkstoff ist sehr feuchtigkeitsanfällig und verliert trotz speziellem Putz seine Druckfestigkeit. Genau dieses Material führt später zu starken Schäden in den Häusern. 1955 stürzt eine komplette Giebelwand ein, 1986 gibt in einem Haus die Kellerdecke nach.

Ganz allgemein ist der Standard der Bauten sehr niedrig. Ist der einzige Ofen im Haus im Winter kalt, vereisen Fensterscheiben und teilweise sogar die Wände. In den Wohnungen fehlen eigene Toiletten. Die Einheiten sind so klein, dass es tatsächlich Anleitungen und sogar eine städtische Beratung für Möblierung und Hausrat gibt. Danach sollen in der Küche kein Polstermöbel, im Schlafzimmer keine Betten über 90 x 190 cm stehen.

Für eine Familie mit zwei Kindern sind in den Geschosswohnungen gerade mal 35 Quadratmeter eingeplant. Durch den Mini-Wohnraum spielen die Gärten eine überaus wichtige Rolle – als Ergänzung zur engen Wohnung. Etwas größer die 190 Kleinst-Eigenheime. Sie verfügen über 50 Quadratmeter Wohnfläche. Es gibt ein WC, aber kein eigenes Badzimmer. Mit Um- und Ausbauten rüsten die Besitzer später auf.

Aufgrund der schlechten Bausubstanz tauchen in den 70er Jahren erste Abrisspläne auf. Sie stoßen auf entsprechenden Widerstand der Anwohner. Inzwischen hat sich die Sozialstruktur der Maikäfersiedlung verändert. Wegen des niedrigen Standards der Wohnungen sind hier viele Studenten, Flüchtlinge und soziale Problemgruppen eingezogen. Gemeinsam verhindern sie den Abriss.

Doch eine umfassende Modernisierung, die die Wohnungen dringend nötig hätten, rechnet sich nicht. Der Münchner Stadtrat lässt die alten Gebäude Zug um Zug abreißen und durch moderne Neubauten ersetzen. Heute zeugen nur noch die kleinen Häuschen entlang der Bad-Kreuther-Straße von der alten Maikäfersiedlung.

Um die sich jede Menge Geschichten ranken. So schaute 1937 sogar der ehemalige englische König mit seiner Frau Wally Simpson in der Maikäfersiedlung vorbei. Die „Echardinger Einkehr“ gilt als Geburtsstätte der Münchner SPD. Legendär sind auch die Faschingsfeste in der „Einkehr“ mit Conny Froebes oder Ted Herold. Ebenso wie die Schlachten der Halbstarken mit Gruppen aus der Umgebung in den 50er Jahren. Paul Würges, der „deutsche Bill Haley“, ist ebenso ein „Maikäfer“ wie der frühere Bayern-Stürmer Heinz Lettl, Startenor Gregor Prächt oder der „bayerische Herkules“ Klaus Bräu.

Mehr Historie und Geschichten über die Maikäfersiedlung und ihre Bewohner gibt es in Bettina Seegers Buchs „Die Maikäfersiedlung München“ aus dem Volk-Verlag.